Erich Spießbach
(Gotha 1901 – 1956 Provinzialheilanstalt Münster)
Querulantenwahnsinn – das ist die Diagnose, die Erich Spiessbach 1943 in die Psychiatrie bringt. Der archäologische Hilfsarbeiter hatte sich zuvor im Museum für Vor- und Frühgeschichte in Münster mit seinem Vorgesetzten gestritten und wurde fristlos entlassen. Spiessbach wehrte sich dagegen vor Gericht und gewann. Doch in der Folge eskalierte die Auseinandersetzung. Er machte immer mehr gerichtliche Eingaben mit immer weniger nachvollziehbaren Beschwerden. Offenbar ging es Spiessbach darum feststellen zu lassen, dass er anderen an Einsicht und Intelligenz überlegen sei. Doch er bewirkte das Gegenteil: Dreimal wurden Gutachten über seine psychische Verfassung angefertigt, die er selbst „Idiotendiplome“ nannte.
In der Psychiatrie gab ihm der Psychiater Manfred in der Beeck den Auftrag, die Sentenz „Alles ist möglich, das Dümmste aber am Wahrscheinlichsten“ zu illustrieren, und provozierte damit einen wahren Ausbruch in Kreativität. In wenigen Monaten entstanden mehrere hundert Zeichnungen, die sich über die Dummheit anderer lustig machen. Die Blätter Spiessbachs dokumentieren eine eindringliche Art der Kommunikation zwischen einem Patienten und seinem Psychiater. Es lässt sich der ungewöhnliche Humor eines langjährigen Anstaltsinsassen erkennen, der zu Unrecht als paranoid diagnostiziert und eingesperrt zu sein glaubte. Mit seinem Lachen reagierte er auf die Situation, in der er sich befand – auf die Ärzte wie auf die Dumm-heit in der Welt ganz allgemein.
Mehr als 500 Zeichnungen, Texten und Fotos von Erich Spiessbach sind seit 2016 Teil der Sammlung Prinzhorn.