Collection Artists

Karl Genzel

Skulptur von Karl Genzel, Kopffüßer
Karl Genzel, "Die Frau mit dem Storch" oder "Jesin" [Kopffüßer], vor 1921, Inv. Nr. 122 © Sammlung Prinzhorn, Universitätsklinikum Heidelberg
Skulptur von Karl Genzel
Karl Genzel, "Der Teufel mit Pferdefuß und Horn", vor 1929, Inv. Nr. 131

(Mühlhausen/Thüringen 1871–1925 Eickelborn)

Als Sohn eines Bauvogts wuchs Genzel mit sieben Geschwistern in Mühlhausen/Thüringen auf. Er wurde Maurer, heiratete 1895 eine 16 Jahre ältere Witwe mit drei Kindern und zog mit ihr nach Bochum. Zwei Töchter wurden 1895 und 1901 geboren. Seit 1892 erhielt Genzel Geld- und Gefängnisstrafen wegen Körperverletzung, Beleidigung, Sachbeschädigung und Kuppelei. Verletzt durch eine schwere Pferdekarre, wurde er 1900 arbeitslos, trank und bedrohte eifersüchtig seine schwangere Frau. Während der erneuten Haft amputierte man 1902 das linke Bein. Seither kämpfte Genzel um eine Unfallrente. Nach der Scheidung schlug er sich mit Betteln und Hausieren durch, kam wieder ins Gefängnis, wo er angstvoll glaubte, man wolle ihn vergiften. Er wurde in die Anstalten Merzig und Lengerich und schließlich 1907 in Eickelborn mit der Diagnose „Dementia praecox“ eingewiesen. Nach 17 Jahren brach er aus und flüchtete nach Mühlhausen zu Verwandten, die ihn aber infolge erregter Ausbrüche in Pfafferode einweisen ließen. Nach einem Schlaganfall kehrte Genzel Anfang 1925 nach Eickelborn zurück.

In den Anstaltsjahren wechselten Produktivität und Wutanfälle mit halluzinatorischem Erleben, Freiheitsbegehren und Resignation. Genzel klebte Tüten, nähte Säcke, verzierte Hausschuhe, schälte Weiden, schrieb, zeichnete, las die Bibel, verfasste Eingaben, blieb tagelang im Bett liegen. Um 1912 entdeckte er das Holzschnitzen. Weil es ihn beruhigte, durfte er ein Messer in einer Zelle nutzen. Der Eingeschlossene fand zu neuer Identität. Mit Künstlerstolz gab er 1919 Skulpturen in das „Museum für Irrenkunst“ nach Heidelberg. Hans Prinzhorn schickte ihm dafür Kautabak. Weitere Werke übergab die Klinikleitung des Landeskrankenhauses Eickelborn 1993 als Dauerleihgabe.

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