Kabinettausstellung - Zwei frühe Zeichnungen von Adolf Wölfli
Kabinettausstellung - Zwei frühe Zeichnungen von Adolf Wölfli
Anfang des Jahres konnten zwei große Zeichnungen des Schweizers Adolf Wölfli (1865–1930) für die Sammlung Prinzhorn gesichert werden, die seit 2009 zum Verkauf standen. Sie waren seit 2004 als befristete Leihgabe des Potsdamer Fraenger--Instituts im Haus und wurden mehrfach in Ausstellungen hier und andernorts gezeigt, zuletzt 2012 in der Wolfgang Rihm gewidmeten Schau „Zeitgegenstände“ der Städtischen Galerie - Karlsruhe.
Nach langem Bemühen wurde die erhebliche Kaufsumme zusammengebracht. Beteiligt haben sich die Ernst von Siemens Kunststiftung, die Kulturstiftung der Länder, Dr. Manfred Fuchs, Stadt Heidelberg sowie Manfred Lautenschläger. Ihnen sowie dem hilfreichen Freundeskreis der Sammlung Prinzhorn gilt unser herzlicher Dank.
Adolf Wölfli, der von 1896 bis zum Tod in der psychiatrischen Anstalt Waldau bei Bern lebte, machte die Studie „Ein Geisteskranker als Künstler" des betreuenden Psychiaters Walter Morgenthaler bekannt, die 1921, ein Jahr vor Hans Prinzhorns Buch „Bildnerei der Geisteskranken", erschien. Es war die erste Monographie über einen „Irren" und sein Werk, die ihn zudem namentlich nannte. Seit den 1960er Jahren wurden seine Werke zunehmend ausgestellt, am prominentesten 1972 auf Harald Szeemanns documenta 5.
Heute ist Wölfli der berühmteste Anstaltskünstler Europas, ein „Klassiker" der Art brut oder Outsider Art. Sein Hauptwerk sind mehrere selbstgefertigte umfangreiche Bücher mit hunderten Illustrationen, nahezu komplett im Besitz der Adolf Wölfli-Stiftung im Kunstmuseum Bern. Daneben gibt es ebenso viele Farbstiftzeichnungen, meist kleineren Formats, die Wölfli selbst „Brotkunst“ nannte und gegen Malmittel oder Kautabak tauschte. Auf dem Kunstmarkt tauchen sonst nur diese Blätter auf. Auch die Sammlung Prinzhorn besitzt fünf „Brotkunst“-Blätter, und zwar seit Prinzhorns Zeit. Eines bildete der Arzt in seinem Buch ab.
Die beiden Zeichnungen Ramonion=Schlange und Wigger (1904) und Braut-Ring (1905) gehören zum frühesten erhaltenen Werkkomplex Wölflis überhaupt. Von dessen 53 bekannten Blättern besitzt 49 die Berner Wölfli-Stiftung. Alle sind mit Bleistift auf Makulatur-Papier eines Formates gezeichnet und zeigen fast schon das gesamte Vokabular des Künstlers: figurative Elemente, Ornamente, Schrift und (jeweils sechs) Notenlinien – nur tragen letztere noch keine Notationen.
Für die Sammlung Prinzhorn sind die Zeichnungen eine ideale Ergänzung – zumal sie einmal Prinzhorns „Privateigentum" waren, wie eine rückseitige Aufschrift eines der originalen Rahmen verrät. Morgenthaler hatte sie ihm wohl persönlich geschenkt – und dabei übersehen, dass Brautring (1905) zu einer Folge gehört, deren übrige drei Blätter alle noch in Bern sind. Später hat Prinzhorn die Werke offenbar dem befreundeten Kunsthistoriker und Volkskundler Wilhelm Fraenger (1890–1964) überlassen, der sie zeitlebens in seinem Arbeitszimmer hängen hatte.